Wach auf wach auf, du deutsches Land

1. Wach auf, wach auf, du deutsches Land!
Du hast genug geschlafen,
bedenk, was Gott an dich gewandt,
wozu er dich erschaffen.
Bedenk, was Gott dir hat gesandt
und dir vertraut sein höchstes Pfand,
drum magst du wohl aufwachen!

2. Gott hat dich, Deutschland, hoch geehrt
mit seinem Wort der Gnaden.
Ein großes Licht dir auch beschert
und hat dich lassen laden
zu seinem Reich, welchs ewig ist,
dazu du denn geladen bist,
will heilen deinen Schaden.

3. Gott hat dir Christum, seinen Sohn,
die Wahrheit und das Leben,
sein liebes Evangelium
aus lauter Gnad gegeben;
denn Christus ist allein der Mann,
der für der Welt Sünd gnug getan,
kein Werk hilft sonst daneben.

4. Du lagst zuvor im Finstern gar
mit Blindheit hart gekränket.
Bei dir kein Licht der Wahrheit war.
Dein Herz war gar gelenket
zur Lüge und Abgötterei,
falsch Gottesdienst und Heuchelei
ins Teufels Reich versenket.

5. Du hast zuvor den Antichrist,
sein Teufels Lehr gehöret.
Und seine Lügen, Stank und Mist
als göttlich Ding geehret.
Du gabst ihm noch als deinem Herrn
dein Leib und Gut auch willig gern,
der keins dich nicht beschweret.

6. Von solcher Lügen falschem Schein
hat Gott dein Herz getrennet.
Durch Luther, den Propheten dein,
ganz Deutschland solchs bekennet.
Hat dich gezogen gnädiglich
zu seinem Reich gar väterlich.
wohl dem, der’s recht erkennet.

7. Für solche Gnad und Güte groß
sollst du Gott billig danken.
Nicht laufen aus sei’m Gnaden Schoß
von seinem Wort nicht wanken!
Dich halten wie sein Wort dich lehrt.
Dadurch wird Gottes Reich gemehrt,
geholfen auch den Kranken.

8. Du solltest bringen gute Frucht,
so du rechtgläubig wärest.
In Lieb und Treu, in Scham und Zucht,
wie du solch’s selbst begehrest.
In Gottes Furcht dich halten fein
und suchen Gottes Ehr allein,
dass du niemand beschwerest.

9. Ob du solchs tust, das ist am Tag,
darf nicht erweiset werden.
Es zeugt jetzt die gemeine Klag’,
dass ärger nie auf Erden,
auch weil die Welt gestanden ist,
noch nie gewest solch Tück’ und List,
in Worten und Gebärden.

10. Es ist nicht auszusprechen mehr
die Bosheit, Sünd und Schande,
die grausam Gottes Läst’rung schwer,
so jetzt in deutschem Lande.
Solch Sünde ist so hoch gebracht,
dass auch dafür der Himmel kracht,
erschüttert seine Bande.

11. Gott hat sein Wort gegeben drum,
dass wir uns zu ihm wenden.
So kehrt Deutschland das Blättlein um,
tut seinen Namen schänden.
Ist ärger worden denn zuvor,
all Sünde schwebt jetzt hoch empor.
Drum wird Gott Strafen senden!

12. Der Wucher, Geiz, Betrügerei
wird jetzt als Kunst gelobet,
Ehebruch, Unzucht und Völlerei,
wird auch noch wohl begabet.
Falsch Tück und List, Verräterei,
Untreu, Falschheit, groß Büberei
ihr viel jetzt hoch erhebet.

13. Die Jugend wird gezogen jetzt
in Mutwill frech gewähnet,
dass sie in Schalkheit so verschmitzt,
was ehrlich ist, verhöhnet.
Ihr Kleidung muss fein bübisch sein.
Das Weibsvolk gibt sehr bösen Schein,
Mit Zierlichkeit beschönet.

14. Wer jetzt nicht Pluderhosen hat,
die schier zur Erde hangen
mit Zotten wie des Teufels Wat,
der kann nicht höflich prangen.
Es ist solchs so ein schnöde Tracht,
der Teufel hat’s gewiss erdacht,
wird selbst sein also gangen.

15. Denn welcher Christ solch Kleid anblickt,
der wird vor Trauer klagen.
Sein Herz vor Gottes Zorn erschrickt.
Wird bei ihm selbst oft sagen:
Ach Gott, Deutschland, das dringet dich!
Das du musst straffen härtiglich
mit schweren großen Plagen.

16. All Ständ’ sind jetzt so gar verderbt.
Will niemand sich erkennen
mit gutem Schein, doch so gefärbt,
tun all sich Christen nennen.
Und wird der göttlich Name teu’r
zur Sünd‘ gebraucht so ungeheu’r,
Deutschland wird sich abrennen.

17. Was vormals Unrecht, Sünd’ und Schand’,
das tut man jetzt gut preisen.
Was vormals Blei und Zinn genannt,
das heißt man jetzt hart Eisen.
All Ding’ han sich so gar verkehrt.
Unrecht hat sich sehr hoch gemehrt.
Solch’s tut die Tat erweisen.

18. Die Wahrheit wird jetzt unterdrückt,
will niemand Wahrheit hören;
die Lüge wird gar fein geschmückt,
man hilft ihr oft mit Schwören;
dadurch wird Gottes Wort veracht’,
die Wahrheit höhnisch auch verlacht,
die Lüge tut man ehren.

19. Dieweil denn Deutschland gar nicht will
an Gottes Wort sich kehren
und häuft der Sünden täglich viel,
es lässt ihm niemand wehren,
so wird auch Gott ein scharfe Rut,
viel Strafen senden wie ein Flut
und Deutschland mores lehren.

20. Wer Augen hätt’ und sehen könnt,
der würde freilich spüren
an Himmel, Erde, Luft und Wind
die Gottesstrafe rühren.
Viel Zeichen lässt geschehen Gott.
Fürwahr er was im Sinne hat:
Will uns zur Busse führen.

21. Martinus Luther, Gottes Mann,
hat Deutschland oft vermahnet.
Es sollt von Sünden abelan,
ein große Straf ihm ahnet.
Gott würd an Deutschland strafen hart
den Undank an seim Gnadenwort
keins Undanks Gott sich schonet.

22. Wach auf, Deutschland, ’s ist hohe Zeit,
du wirst sonst übereilet,
die Straf dir auf dem Halse leit,
ob sich’s gleich jetzt verweilet.
Fürwahr, die Axt ist angesetzt
und auch zum Hieb sehr scharf gewetzt,
was gilt’s, ob sie dein fehlet.

23. Gott warnet täglich für und für,
das zeugen seine Zeichen,
denn Gottes Straf ist vor der Tür;
Deutschland, lass dich erweichen,
tu rechte Buße in der Zeit,
weil Gott dir noch sein Gnad anbeut
und tut sein Hand dir reichen.

24. Das helfe Gott uns allen gleich,
dass wir von Sünden lassen,
und führe uns zu seinem Reich,
dass wir das Unrecht hassen.
Herr Jesu Christe, hilf uns nu’
und gib uns deinen Geist dazu,
dass wir dein Warnung fassen.

25. O Gott gib, dass der Name dein
durch falsche Lehr nicht g’schändet!
Von deinem Wort und Lehre rein
nicht werden abgewendet.
Dein Wille dämpf all’ Menschen Tand,
so von der Wahrheit abgewandt,
durch Teufels List verblendet.

26. Amen spricht, der dies Lied gemacht.
Gott tröste, die Not leiden,
und stürze bald der Lügen Pracht,
so Wahrheit stets tut neiden,
und mach zuschand, was Unrecht ist.
Stärk unsern Glauben, Jesu Christ,
wenn wir von hinnen scheiden.

Erscheinen meines Gottes Wege

Erscheinen meines Gottes Wege
mir seltsam, rätselhaft und schwer
und gehn die Wünsche, die ich hege,
still unter in der Sorgen Meer,
will traurig schwer der Tag verrinnen,
der mir nur Schmerz und Qual gebracht,
dann will ich mich auf eins besinnen,
dass Gott nie einen Fehler macht.

Wenn mir zu hoch des Herrn Gedanken,
zu tief der Brunnen seiner Huld,
wenn alle Stützen haltlos wanken,
die Kraft mir fehlt und die Geduld,
wenn gar mein Blick kein Ziel mehr findet
bei banger tränenreicher Wacht,
ein Glaubensfünklein dennoch kündet,
dass Gott nie einen Fehler macht.

Wenn über ungelösten Fragen
mein Herz verzweiflungsvoll erbebt,
an Gottes Liebe will verzagen,
weil sich der Unverstand erhebt,
dann darf ich all mein müdes Sehnen
in Gottes Hände legen sacht
und dieses sprechen unter Tränen,
dass Gott nie einen Fehler macht.

Drum still, mein Herz, und lass vergehen,
was irdisch und vergänglich heißt.
Im Lichte droben wirst du sehen,
dass gut die Wege, die er weist.
Und müsstest du dein Liebstes missen,
ja, gings durch kalte, finstre Nacht,
halt fest an diesem selgen Wissen,
dass Gott nie einen Fehler macht.

Herbert Sack (1902-1942/43), in Stalingrad niedergeschrieben

Was uns bleibt

Was uns bleibt, wenn Deutschlands Säulen brechen,
Wenn der Götter Stimme trügt,
Wenn der Menschen Wunden sich nicht rächen,
Wenn das heiligste Vertrauen lügt,
Wenn umsonst die aufgeblitzte Jugend
Um des Vaterlandes Kerker stürmt,
Und des Volkes Spartergleiche Tugend
Fruchtlos Leichen über Leichen türmt?

Was uns bleibt, wenn wir trotz unserm Rechte
Knirschend vor dem falschen Glücke stehn,
Und des Wütrichs feile Henkersknechte
Mordend durch der Freiheit Tempel gehn?
Was uns bleibt, wenn unser Blut vergebens
Auf des Vaterlandes Grab verraucht,
Und der Freiheit Stern, der Stern des deutschen Lebens,
An dem deutschen Himmel niedertaucht?

Was uns bleibt? – Rühmt nicht des Wissens Bronnen,
Nicht der Künste friedensreichen Strand!
Für die Knechte gibt es keine Sonnen,
Und die Kunst verlangt ein Vaterland.
Aller Götter Stimmen sind verklungen
Vor dem Jammerton der Sklaverei,
Und Homer, er hätte nie gesungen:
Doch sein Griechenland war frei!

Was uns bleibt? – Ein christliches Ertragen,
Wo des Dulders feige Träne taut?
Soll ich selbst den Altar mir zerschlagen,
Den ich mir im Herzen aufgebaut?
Soll ich das für Gottes Finger halten,
Wo der Menschheit Engel Rache schrein?
Wo die Teufel teuflisch walten,
Das kann nur ein Sieg der Hölle sein.

Bleibt uns nichts? – Fliehn alle guten Engel
Mit verwandtem Angesicht?
Brechen aller Hoffnung Blütenstengel,
Weil des Sieges Palme bricht?
Kann der Arm kein rettend Kreuz umklammern
In der höchsten, letzten Not?
Müssen wir verzweifeln und verjammern?
Gibt es keine Freiheit als den Tod? –

– Doch! – Wir sehn’s im Aufschwung unsrer Jugend,
In des ganzen Volkes Heldengeist.
Ja! – Es gibt noch eine deutsche Tugend,
Die allmächtig einst die Ketten reißt.
Wenn auch jetzt in den bezwungnen Hallen
Tyrannei der Freiheit Tempel bricht:
Deutsches Volk, du konntest fallen,
Aber sinken kannst du nicht!

Und noch lebt der Hoffnung Himmelsfunken.
Mutig vorwärts durch das falsche Glück!
’s war ein Stern! Jetzt ist er zwar versunken,
Doch der Morgen bringt ihn uns zurück.
’s war ein Stern! – Die Sterne bleiben.
’s war der Freiheit goldner Stern!
Laß die blut’gen Wolken treiben!
Der ist in der Hut des Herrn!

Mag die Hölle drohn und schnauben,
Der Tyrann reicht nicht hinauf,
Kann dem Himmel keine Sterne rauben.
Unser Stern geht auf!
Ob die Nacht die freud’ge Jugend töte,
Für den Willen gibt es keinen Tod,
Und des Blutes deutsche Heldenröte
Jubelt von der Freiheit Morgenrot.

Theodor Körner: Was uns bleibt. (1813) Aus: Leier und Schwert

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